Die Bestellung eines Pflichtverteidigers im Jugendstrafverfahren ist in der Regel erforderlich, wenn nach den Gesamtumständen eine Freiheitsentziehung von mindestens einem Jahr zu erwarten ist oder in Betracht kommt, wobei jedoch aufgrund der größeren Schutzbedürftigkeit des Jugendlichen auch sonstige Umstände berücksichtigt werden müssen.
In seinem Beschluss vom 7.5.2013 – 4 Ws 37/13 beschäftigte sich das Kammergericht (KG) Berlin mit der Bestellung eines “Pflichtverteidigers“ im Jugendstrafverfahren, für die zunächst die Grundsätze des Erwachsenenstrafrechts gelten. Liegen also die Voraussetzungen des § 140 Abs. 1 StPO nicht vor, so ist die Mitwirkung eines Verteidigers nach § 140 Abs. 2 StPO erforderlich, wenn sie wegen der Schwere der Tat oder der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage geboten erscheint oder wenn ersichtlich ist, dass sich der Angeklagte nicht selbst verteidigen kann. Bei der Auslegung der unbestimmten Rechtsbegriffe ist laut KG auf die im Erwachsenenrecht ergangene Rechtsprechung abzustellen, wobei allerdings den Besonderheiten des Jugendstrafverfahrens Rechnung zu tragen sei. Der Umstand, dass Anklage vor dem Jugendschöffengericht erhoben wurde oder überhaupt die Verhängung einer Jugendstrafe zu erwarten ist, mache die Pflichtverteidigerbestellung nicht zwingend notwendig. Auch hinsichtlich der Schwere der Tat stellt das KG erneut auf die allgemeinen Regeln des Erwachsenenrechts ab. Nach diesen ist die Beiordnung eines Pflichtverteidigers grundsätzlich geboten, wenn nach den Gesamtumständen eine Freiheitsentziehung von mindestens einem Jahr zu erwarten ist oder jedenfalls angesichts konkreter Umstände in Betracht kommt. Um eine starre Grenze handele es sich hierbei jedoch nicht. Vielmehr müssen nach Ansicht des KG auch sonstige Umstände berücksichtigt werden, die die Mitwirkung eines Verteidigers auch bei einer niedrigeren Strafe geboten erscheinen lassen. Denn gerade im Jugendstrafrecht sei die Beiordnung eines Pflichtverteidigers aufgrund der geringeren Lebenserfahrung des Angeklagten und seiner daher größeren Schutzbedürftigkeit eher erforderlich.