Das Gericht darf den Antrag des Angeklagten auf Beiordnung seines bisherigen Wahlverteidigers als Pflichtverteidiger nicht ablehnen, wenn sämtliche Zeugen Polizeibeamte sind, das Ergebnis der Hauptverhandlung allein davon abhängt, ob das Gericht den Aussagen der Zeugen folgt, die Darlegung von eventuellen Widersprüchen in den Angaben der Zeugen nur durch Kenntnis des gesamten Akteninhalts erfolgen kann und die materiell-rechtliche Frage der Strafbarkeit des Angeklagten strittig ist.
Das Landgericht Bielefeld hat mit Beschluss vom 15.06.2016 (Aktenzeichen: 8 Qs 246/16 VIII) den bisherigen Wahlverteidiger als Pflichtverteidiger bestellt. Dem Beschluss liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:Mit einem Strafbefehl (Straffestsetzung nach Aktenlage ohne Hauptverhandlung) setzte das Amtsgericht Minden gegen den Angeklagten eine Geldstrafe wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit versuchter Körperverletzung fest. Hiergegen hat der Angeklagte Einspruch eingelegt und die Beiordnung seines bisherigen Wahlverteidigers als Pflichtverteidiger beantragt. Seinen Antrag begründete der Angeklagte insbesondere damit, dass als einzig zulässiges Beweismittel die Aussagen der Polizeibeamten vorhanden seien und dies somit die Beweislage schwierig mache. Den Antrag auf Beiordnung als Pflichtverteidiger wurde durch das Amtsgericht Minden abgelehnt. Hiergegen hat der Angeklagte Beschwerde eingelegt. Das Landgericht Bielefeld bestätigte die Ausführungen des Angeklagten und bestellte den bisherigen Wahlverteidiger als Pflichtverteidiger. Seine Entscheidung begründet das Landgericht Bielefeld damit, dass im konkreten Fall die Notwendigkeit der Verteidigung im Sinne des § 140 Absatz 2 Satz 1 StPO aus der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage folge. Denn nach dieser Vorschrift erhält der Angeklagte einen Pflichtverteidiger, wenn die Sach- und Rechtslage schwierig ist. Im konkreten Fall ist die Sachlage aus dem Grund schwierig, da sämtliche Zeugen Polizeibeamte sind, das Ergebnis der Hauptverhandlung allein davon abhängt, ob das Gericht den Aussagen der Zeugen folgt und die Darlegung von eventuellen Widersprüchen in den Angaben der Zeugen nur durch Kenntnis des gesamten Akteninhalts erfolgen kann. Die Schwierigkeit der Rechtslage beruhte darauf, dass zweifelhaft war, ob ein Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte überhaupt vorliegen konnte. Denn der Angeklagte war von der Vollstreckungshandlung gar nicht betroffen, sodass eine Subsumtion unter den Tatbestand des § 113 Absatz 1 StGB (Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte) noch konkret zu beurteilen war.