Ein der deutschen Sprache nicht mächtiger Angeklagter hat das Recht, bereits vor Beginn der Hauptverhandlung eine Übersetzung der Anklageschrift in einer für ihn verständlichen Sprache zu erhalten.
In seinem Urteil vom 23. Dezember 2015 – 2 StR 457/14 hat der Bundesgerichtshof (BGH) bestätigt, dass es gegen Art. 6 Abs. 3 Buchst. a) EMRK und den Grundsatz des fairen Verfahrens verstößt, wenn dem der deutschen Sprache nicht mächtigen Angeklagten nicht bereits vor Beginn der Hauptverhandlung eine Übersetzung der Anklageschrift in einer für ihn verständlichen Sprache zugeleitet wird. Allein die mündliche Übersetzung der Anklageschrift in der Hauptverhandlung genüge nur ausnahmsweise, wenn der Verfahrensgegenstand tatsächlich und rechtlich einfach zu überschauen sei. Wurde dem Angeklagten die Anklageschrift nicht ordnungsgemäß mitgeteilt, so kann er nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich die Aussetzung der Hauptverhandlung verlangen, um seine Verteidigung auf der Grundlage der Anklageschrift ausreichend vorbereiten zu können. Bei der Entscheidung über die Aussetzung steht dem Gericht zwar ein Ermessensspielraum zu. Weist das Gericht den Aussetzungsantrag jedoch zurück, ohne sich seines Ermessens überhaupt bewusst zu sein, so stellt dies nach Ausführungen des BGH einen Verstoß gegen Art. 6 Abs. 3 Buchst. a) EMRK dar, auf dem das Urteil in der Regel beruht.