Der Begriff der schutzlosen Lage ist rein objektiv zu bestimmen. Einer subjektiven Zwangswirkung der Schutzlosigkeit auf das Tatopfer bedarf es nicht.
In seiner Entscheidung vom 2. Juli 2020 (4 StR 678/19) musste sich der Bundesgerichtshof der Frage widmen, wann ein Opfer sich in einer „schutzlosen Lage“ im Sinne des § 177 StGB befindet. Insbesondere musste sich der Bundesgerichtshof dazu äußern, ob der Begriff der „schutzlosen Lage“ rein objektiv zu bestimmen ist oder es einer subjektiven Zwangswirkung der Schutzlosigkeit auf das Tatopfer bedarf, das Opfer also wissen muss, dass es sich in einer schutzlosen Lage befindet. Hintergrund der Entscheidung war ein Fall, in dem ein Mann zwei Mädchen sexuell missbraucht hatte. Hierfür hatte er das eine Kind unter einem Vorwand in ein leerstehendes Gebäude gelockt, das andere Kind wurde von ihm überrumpelt und unter der Drohung der Tötung in eine Ruine geführt. Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs reicht es aus, dass sich das Opfer dem überlegenen Täter allein gegenübersieht und auf fremde Hilfe nicht rechnen kann. Der Tatbestand solle Fälle erfassen, in denen das Opfer starr vor Angst ist und nur deshalb auf Widerstand verzichtet, weil es in einer hilflosen Lage ist und dieser gegen den überlegenen Täter aussichtslos erscheint. Der Begriff der schutzlosen Lage ist folglich objektiv zu bestimmen.