Eine Bestrafung wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr setzt voraus, dass der Fahrzeugführer seine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit kennt oder zumindest mit ihr rechnet und sie billigend in Kauf nimmt. Allein die hohe Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit rechtfertigt nicht den Schluss auf eine vorsätzliche Tatbegehung.
Das Amtsgericht Fürstenwalde/Spree verurteilte den Angeklagten wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 30 ?. Nach den getroffenen Feststellungen befuhr der Angeklagte am 8. November 2011 gegen 13:58 Uhr mit dem Leichtkraftrad in Gosen die Straße am Müggelpark, geriet beim Anhalten aus dem Gleichgewicht und konnte an- schließend nur schwankend gehen. Die um 14:46 Uhr entnommene Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration von 1,51 Promille. Er habe „erhebliche Ausfallerscheinungen? gehabt, die „dem lebenserfahrenen, 62jährigen Angeklagten nicht entgangen? sein können, so dass er zumindest billigend in Kauf genommen habe, zum sicheren Führen des Motorrades nicht mehr in der Lage gewesen zu sein. Ihm sei auch bei Antritt der Fahrt bewusst gewesen, „dass er noch am Vormittag weiteren Alkohol zu sich genommen? habe, der einen „Abbau des Restalkohols vom Vorabend zumindest verlangsamte?.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der die Verletzung formellen und materiellen Rechts gerügt wird. Die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg beantragt, die Revision als unbegründet zu verwerfen.
Dem OLG Brandenburg reichen die Feststellungen des Amtsgerichtes für die Annahme eines Vorsatzes nicht.
Eine Bestrafung wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr setzt voraus, dass der Fahrzeugführer seine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit kennt oder zumindest mit ihr rechnet und sie billigend in Kauf nimmt. Allein die hohe Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit rechtfertigt anerkanntermaßen nicht den Schluss auf eine vorsätzliche Tatbegehung; vielmehr müssen weitere auf einen Vorsatz hindeutende Umstände hinzutreten. Zu würdigen sind dabei insbesondere – soweit feststellbar – die Täterpersönlichkeit, der Trinkverlauf, der Zusammenhang zwischen Trinkverlauf und Fahrtantritt sowie das Verhalten des Täters vor und während der Fahrt (vgl. Senat, Beschl. vom 13. Juli 2010 – 2 Ss 21/10; OLG Hamm, Beschluss vom 16. Februar 2012 – 3 RVs 8/12).
Das Amtsgericht hat die insoweit zu berücksichtigenden Umstände nur lückenhaft gewürdigt und zu einseitig auf die – auch erst beim Absteigen vom Motorrad festgestellten – motorischen Unsicherheiten abgestellt. Bei einer hohen Blutalkoholkonzentration treten häufig Ausfallerscheinungen auf, die für eine Kenntnis des Fahrers von seiner Fahruntüchtigkeit sprechen können. Insoweit ist jedoch stets zu beachten, dass bei fortschreitender Trunkenheit das kritische Bewusstsein und die Fähigkeit zur realistischen Selbsteinschätzung abnehmen, das subjektive Leistungsgefühl des Alkoholisierten hingegen infolge der Alkoholeinwirkung häufig gesteigert wird mit der Folge, dass der Fahrer seine Fahruntüchtigkeit falsch einschätzt (vgl. OLG Hamm, a.a.O.). Die Fähigkeit einer entsprechenden Selbsteinschätzung ist dabei regelmäßig umso geringer, je weiter der Entschluss zur Fahrt vom Trinkende entfernt liegt (OLG Frankfurt NStZ-RR 1996, 86).
Unter diesem Gesichtspunkt hätte das Amtsgericht sich näher mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob der Angeklagte hier womöglich die Wirkung des auf den Konsum am Vorabend zurückzuführenden Restalkohols verkannt hat. Dazu bestand insbesondere deshalb Veranlassung, weil nach den Urteilsfeststellungen nicht auszuschließen ist, dass die Fahruntüchtigkeit wesentlich auf den Alkoholkonsum am Vortag zurückzuführen ist und der Alkoholgenuss am Vormittag des Tattages „einen Abbau des Restalkohols vom Vorabend“ lediglich verlangsamt hat. Darüber hinaus hat das Tatgericht nicht gewürdigt, dass der Angeklagte nach den Feststellungen in den Morgenstunden gegen 8:00 Uhr ein Medikament zur Blutdrucksenkung eingenommen hat, und hat insoweit nicht in Betracht gezogen, dass die Fähigkeit des Angeklagten zur Einschätzung seiner Fahrtüchtigkeit hierdurch möglicherweise beeinflusst sein konnte. Im Übrigen beruhen die getroffenen Feststellungen zu den Ausfallerscheinungen allein auf Erkenntnissen bei und nach Beendigung der Fahrt. Inwieweit diese Erkenntnisse hier Rückschlüsse auf den – für das Bewusstsein von der Fahruntüchtigkeit maßgeblichen – Zeitpunkt der vorangegangenen Fahrt zulassen, hat das Amtsgericht ebenfalls nicht erwogen. Ob der Angeklagte auffällig und fehlerhaft gefahren ist – und womöglich deshalb einer Verkehrskontrolle unterzogen wurde – ist nicht festgestellt.
OLG Brandenburg, Beschluss vom 05. Februar 2013 – Az. (2) 53 Ss 1/13 (4/13) –
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