Der Grund für die Anordnung der Fortdauer der Untersuchungshaft im Stadium zwischen nicht rechtskräftigem Urteil und dessen Vollstreckung darf nicht allein in der Vollstreckungssicherung liegen.
Das Kammergericht Berlin hat mit Beschluss vom 29.08.2016 (Aktenzeichen: 4 Ws 124/16) den Haftfortdauerbeschluss des Landgerichts Berlin und den Haftbefehl des Amtsgerichts Tiergarten aufgehoben. Dem Beschluss liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
Aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts Berlin vom 10.02.2016 befand sich der Angeklagte bis zu seiner Verurteilung durch das Landgericht Berlin am 15.07.2016 zu einer Haftstrafe in der Untersuchungshaft. Das Landgericht Berlin hat im Übrigen die Fortdauer der Untersuchungshaft mit der Begründung, dass aufgrund der zu erwartenden Strafe ein Fluchtanreiz bestehe, angeordnet. Gegen das Urteil des Landgerichts Berlin hat der Angeklagte Revision eingelegt hat, sodass es noch nicht rechtskräftig ist. Gegen die Haftfortdauerentscheidung hat der Angeklagte Beschwerde eingelegt. Die Beschwerde hatte Erfolg. Es ist zunächst zulässig, zwischen Urteil und Rechtskraft die Fortdauer der Untersuchungshaft anzuordnen. Allerdings sind hierfür wegen des freiheitsverletzenden Eingriffs strenge Anforderungen vorgesehen. Zunächst einmal muss ein Haftgrund im Sinne des § 112 StPO vorliegen. Im konkreten Fall hat das Landgericht Berlin die Fluchtgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO) als Haftgrund genannt. Allerdings ist bei der Anordnung als auch bei der Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft immer das Spannungsverhältnis zwischen dem Recht des Einzelnen auf persönliche Freiheit und den unabweisbaren Bedürfnissen einer wirksamen Strafverfolgung zu beachten (Verhältnismäßigkeitsgrundsatz). Dies bedeutet dass eine Abwägung zwischen diesen beiden Interessen stattfinden muss. Denn die Vollstreckungssicherung ist nur ein Nebenzweck der Untersuchungshaft. Im konkreten Fall waren außer der Straferwartung keine weiteren für eine Flucht sprechenden Umstände ersichtlich. Die Straferwartung allein kann die Fluchtgefahr nicht begründen. Weiterhin ist bei einer noch zu verbüßenden Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten ein ausreichender Fluchtanreiz nicht gegeben.
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